BGH stellt hohe Anforderungen an Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten

Die schriftliche Äußerung des Wunsches nach "keinen lebenserhaltenden Maßnahmen" beinhaltet für sich allein genommen nicht die konkrete Behandlungsentscheidung, die für eine bindende Patientenverfügung benötigt wird.

Die Betroffene erlitt Ende 2011 einen Hirnschlag. Seitdem wird sie durch eine Sonde ernährt, die ihr außerdem Medikamente verabreicht. Seit Januar 2012 wohnt sie in einem Pflegeheim. Ihre Fähigkeit zur mündlichen Verständigung verlor die Betroffene im Frühjahr 2013. Kurz zuvor verstarb ihr Ehemann. Aus dieser Ehe waren drei Töchter hervorgegangen.

Die Betroffene unterzeichnete in den Jahren 2003 und 2011 zwei wortlautidentische Schriftstücke mit dem Tiel "Patientenverfügung". In diesen hieß es unter anderem, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn lebenserhaltende Therapien das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung hinauszögern. In derselben Urkunde erteilte die Betroffene einer ihrer Töchter die Vollmacht, an ihrer Stelle mit der behandelnden Ärztin die nötigen Entscheidungen abzusprechen und ihren Willen im Sinne der Patientenverfügung einzubringen.

Darüber hinaus erteilte die Betroffene derselben Tochter im Jahr 2003 Generalvollmacht, die die Bevollmächtigte zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung berechtigt. Die Vollmacht umfasst auch die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu bestimmen. Die Betroffene erklärte im Rahmen der Urkunde, dass sie keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen lege, wenn keine Zustandsverbesserung erwartet werden kann.

Die Bevollmächtigte sowie die behandelnden Ärzte sind der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem gegenwärtigen Willen der Betroffenen entspricht. Die beiden anderen Töchter sind dagegen der Auffassung, dass ihre Mutter einen Abbruch der künstlichen Ernährung gewünscht hätte. Aus diesem Grund stellten sie einen Antrag auf Anordnung eines Kontrollbetreuers, der die Vollmachten widerrufen sollte.

Das Amtsgericht wies den Antrag zurück. Das Landgericht hob das Urteil des Amtsgericht auf und bestellte die Antragstellerin zur Betreuerin für den Bereich der Gesundheitsfürsorge.

Die ursprünglich Bevollmächtigte legte gegen das Urteil des Landgerichts Rechtsbeschwerde ein, mit der sie die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung anstrebte.

Laut BGH stellen die privatschriftlichen Dokumente sowie die Äußerungen aus der Vollmachtsurkunde keine bindenden, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichteten Patientenverfügungen dar, da sie keine konkreten Behandlungsmaßnahmen benennen. Es sei auch kein mutmaßlicher Wille der Betroffenen feststellbar. Die Tochter setze sich daher nicht offenkundig über den Willen ihrer Mutter hinweg, weswegen die Bestellung eines Kontrollbetreuers nicht möglich ist.

Die Rechtsbeschwerde der bevollmächtigten Tochter hatte somit Erfolg. Die Sache wird an das Landgericht zurückgewiesen.
 
BGH, Urteil BGH XII ZB 61 16 vom 06.07.2016
Normen: §§ 1901 a , 1901 b , 1904 BGB
[bns]