Aufklärungspflicht über die mangelnde Erfahrenheit eines Arztes bei der Anwendung einer minimalinvasiven Operationsmethode

Ein Behandlungsfehler liegt noch nicht deshalb vor, weil ein Operateur eine neue und anderweitig erprobte Operationsmethode anwendet, bei der er noch nicht über die erforderliche Routine verfügt, die für eine Gleichwertigkeit erforderlich ist.


Dem lag der Sachverhalt zugrunde, dass bei einer Hüftgelenksimplantation eine neue minimalinvasive Operationsmethode vorgenommen wurde, die der ansonsten erfahrene Operateur noch keine 10 mal durchgeführt hatte und anfängliche Schwierigkeiten hatte. Bei der Operation kam es zu einer Nervenläsion und einer Instabiliät der Hüfte.
Das Gericht entschied, dass es einem erfahrenen Operateur nicht angelastet werden könne, wenn er sich mit einer neuen Oberationsmethode vertraut macht.

Anders sieht dies hingegen bei der Aufklärung aus. Zwar ist die Wahl der Operationsmethode grundsätzlich Sache des Arztes. Gibt es jedoch mehrere Behandlungsmöglichkeiten, die eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten darstellen, so muss es dem Patienten überlassen werden, auf welche Weise die Operation vorgenommen wird. Demnach muss der Patient insbesondere über die Wahl einer neuen Operationsmethode aufgeklärt werden, wenn mit ihr ein erhöhtes Risiko verbunden ist, unterschiedliche Erfolgschancen und Belastungen bestehen und die neue Behandlungsmethode somit eine echte Alternative für den Patienten darstellt.

Hinsichtlich des minimalinvasiven Zugangs bei einer Hüftoperation entschied das OLG Karlsruhe, dass die Vorteile lediglich in einem kleineren Hautschnitt, geringerer Muskelablösung, niedrigeren Blutverlust und einer schnelleren Rehabilitation in der Anfangszeit der ersten 3 Monate bestehen, sodass der Arzt ohne vorherige Aufklärung über die Zugangsart, den minimalinvasiven Zugang wählen kann.

Hinsichtlich der mangelnden Erfahrung des Operateurs sah das Gericht eine diesbezügliche Aufklärung als zwingend erforderlich an. Demnach war aufgrund der vergleichsweise geringen Erfahrung des Operateurs das Risiko der Operation deutlich erhöht. Insbesondere bei minimalinvasiven Hüftoperationen hängen die Erfolgschancen von der Erfahrung des Operateurs ab. Demnach war der Patient im Hinblick auf eine fehlerfreie Selbstbestimmungsaufklärung hierüber aufzuklären, wobei ihm die Entscheidung überlassen werden musste, ob er die erhöhten Risiken auf sich nehmen will.

Eine hypothetische Einwilligung kommt nicht in Betracht, wenn der Patient einen erheblichen Entscheidungskonflikt aufzeigt und darlegt, inwiefern er von der Operation abgehalten gewesen wäre. Im vorliegenden Fall gab der Geschädigte an, er hätte aus Angst vor einer Beeinträchtigung seiner beruflichen Tätigkeit als Cellist die sicherste Operationsmethode gewählt, wobei für ihn die Erfahrung des Operateurs von ausschlagebender Bedeutung gewesen ist. Zudem hätte er keine neue Operationsmethode akzeptiert und sich in jedem Fall bei Kenntnis der mangelnden Erfahrung des Operateurs anderweitig betraten lassen.
 
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil OLG Karlsruhe 7 U 79 10 vom 23.03.2011
Normen: BGB §§ 280 I, 823 I
[bns]