Aufklärungspflicht über eine mögliche Verschlimmerung von Beschwerden trotz korrekt ausgeführten Eingriffs

Eine unzureichende Aufklärung über das Risiko eines Misserfolgs einer Operation und die Gefahr einer Verschlimmerung von Beschwerden, stellt ein aufklärungspflichtiges Risiko dar, das zu Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüchen führen kann, wenn über dieses Risiko im Vorfeld einer Operation nicht aufgeklärt wird.

Dies ist auch der Fall, wenn es bei einer korrekten und fehlerfreien Ausführung eines Eingriffs zu einer Verschlechterung des gesundheitlichen Wohlbefindens eines Patienten kommen kann.

Die Klägerin litt seit ihrer Geburt an einer krampfartigen Lähmung der Gliedmaßen (spastische Tetraplegie) einhergehend mit einer Mangelentwicklung und Abflachung der Hüftgelenkspfanne (Hüftdysplasie). Die Klägerin unterzog sich daher einer Korrekturosteotomie mit Anlage einer Winkelplatte. Die Operation führte jedoch zu keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes der Klägerin, vielmehr trat eine deutliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ein, wobei die Klägerin ihren Rest an Mobilität verlor. Über das Risiko einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes, trotz korrekt ausgeführter Operation, wurde die Klägerin vor der Operation nicht aufgeklärt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Patient zur Wahrung seines Selbstbestimmungsrechts in angemessener Form über die Tragweite des Eingriffs und dessen Risiken aufzuklären, um eine ausreichende Risikoabwägung vornehmen zu können. Die Anforderungen an eine Einwilligung sind nur erfüllt, wenn dem Patienten die Tragweite des Eingriffs zur Zeit der Abgabe der Erklärung bewusst war und er infolge der Aufklärung eine Schadens-Nutzen-Relation vornehmen konnte.

Das OLG Naumburg bejahte einen Aufklärungsmangel mit der Begründung, dass die Klägerin jahrelang mit ihrer Behinderung gelebt hat und sich auf ihre Beeinträchtigung eingestellt hat. Es lag bei der Patientin eine komplexe Ausgangslage vor, mit einem nicht unerheblichen Risiko des Fehlschlagens der Operation. Demnach konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Patientin im Hinblick auf eine mögliche postoperative Verschlimmerung, ihre präoperativen Beschwerden nicht als derart belastend empfunden hätte und daher einer Operation nicht zugestimmt hätte.
 
Oberlandesgericht Naumburg, Urteil OLG Naumburg 1 U 44 10 vom 09.11.2010
Normen: BGB §§ 31, 249, 253 II, 280 I, 611, 823
[bns]