Keine Berücksichtigung einer angeborenen Körperbehinderung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes

Unterlassene Befunderhebungen können eine Beweiserleichterung hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität zu Folge haben.

Dies ist der Fall, wenn medizinisch zweifelsfrei gebotene Befunde nicht erhoben werden, der Befund mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein positives und deshalb aus medizinischer Sicht reaktionspflichtiges Ergebnis hervorgebracht hätten und eine unterlassene Reaktion auf diesen Befund nicht anders als durch einen groben Fehler, sei es einen fundamentalen Diagnose- oder Behandlungsfehler, zu erklären ist.
Im vorliegenden Fall sind bei der Klägerin infolge einer unterbliebenen Blutgasanalyse zerebrale Schäden eingetreten. Die Klägerin kann infolge der Vorfälle nicht richtig sitzen und laufen, sie ist harn- und stuhlinkontinent, muss gefüttert und gewickelt werden und bedarf einer ganztägigen Betreuung. Zudem musste ihr ein Bein oberhalb des Knies amputiert werden.

Das LG München sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 400 000 Euro zu.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes erfolgt nach billigem Ermessen. Dabei soll das Schmerzensgeld dem Geschädigten in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, anstelle der Möglichkeiten, die dem Geschädigten durch die Verletzungen verwehrt sind.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat sich das Gericht an dem Ausmaß und der Schwere der verursachten Verletzungen zu orientieren, sowie auch das Alter und die persönlichen Verhältnisse des Geschädigten zu berücksichtigen. Auch ist das Maß der Lebensbeeinträchtigung, Dauer und Heftigkeit der Schmerzen, sowie die Dauer der stationären Behandlung, der Arbeitsunfähigkeit und der Trennung von der Familie zu berücksichtigen. Zudem ist zu berücksichtigen, ob der weitere Verlauf der Erkrankung übersehbar ist und welche psychischen Auswirkungen die Schädigung für den Betroffenen hat.

In diesem Zusammenhang stellte das Gericht klar, dass eine angeborene Missbildung der amputierten Extremität für die Bemessung des Schmerzensgeldes unerheblich ist. Das Leben einer Körperbehinderten ist nicht weniger lebenswert, als das eines im Wesenrlichen gesunden Menschen.
 
Landgericht München, Urteil LG Muenchen 9 O 24797 07 vom 27.07.2011
Normen: BGB §§ 253, 280, 286
[bns]